Rufen Sie in der Zeitschrift „Die Zeit“, er sucht sie oder sie sucht ihn, Kontaktanzeigen auf und wählen Sie entweder die ersten 10 Anzeigen, die im Internet wiedergegeben werden oder suchen Sie diese zufällig aus (Zeit Online 2020: Kennenlernen):
- Entwickeln Sie eine Fragestellung. Was interessiert Sie an diesen Kontaktanzeigen? Welches soziologische Interesse besteht an ihrer Analyse?
- Wählen Sie für ihre Analyse ein Verfahren aus. Weit verbreitet in der Soziologie ist die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring.
Anwendungsbeispiel: Durchführung der Inhaltsanalyse nach Mayring an zehn Kontaktanzeigen der Zeit Online
Im Folgenden soll eine Inhaltsanalyse nach Mayrings zusammenfassender Inhaltsanalyse durchgeführt werden. Nachdem die grundlegenden Rahmenbedingungen festgelegt wurden, erfolgt die Analyse in drei Schritten: (1) Paraphrasierung, (2) Generalisierung und erste Reduktion und (3) zweite Reduktion (s. Kapitel 6.5.6 Die Inhaltsanalyse nach Mayring).
Ergebnisse:
Die Fragestellung unserer Analyse war, ob sich die Annahme der Homogamie-These „Gleich und Gleich gesellt sich gerne“ in Kontaktanzeigen belegen lässt. Lassen sich Statussignale nachweisen, die auf eine erwünschte Homogamie hinweisen? Unsere Ergebnisse sind übersichtlich in Tabelle 2 (Ergebnisübersicht der zusammenfassenden Inhaltsanalyse, Darstellung in Anlehnung an Kuckartz 2015: 112 f.)) zu finden. Neben Statusmerkmalen, die direkt angelehnt sind an Bourdieus Theorie der Kapitalsorten (ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital (inkorporiert, objektiviert und institutionalisiert), soziales Kapital und symbolisches Kapital), wurden weitere Aspekte der Selbstbeschreibung und Erwartungen an potenzielle Partner gefunden, die in Form weiterer Kategorien festgehalten wurden. Neben diesen Statusmerkmalen wurden hier also auch Persönlichkeit, Beziehungsstatus, Attraktivität, Religion und Alter als weitere Aspekte in die Analyse mit aufgenommen.
Im Sinne der Statusmerkmale nach Bourdieu finden sich einige Hinweise, welche die Homophilie-These unterstützen würden, vor allem im Bereich des inkorporierten kulturellen Kapitals in der Ausprägung von kulturellen Interessen und sozialen sowie kulturellen Aktivitäten. Ein offensichtlicher Indikator wäre der Bildungsabschluss (institutionalisiertes kulturelles Kapital), aber in diesen Kontaktanzeigen wird vermehrt der Fokus auf Selbstdarstellung gelegt, anstatt Wünsche und Erwartungen an potenzielle Partner zu formulieren. Das muss nicht bedeuten, dass Homophilie nicht intendiert war, wenn man davon ausgeht, dass sich vor allem Leute mit ähnlichen Interessen oder Statusmerkmalen melden. Jedoch kann das an dieser Stelle ohne weiterläufige Untersuchungen nicht untersucht werden. Durch die begrenzten Inhalte sollte man die hier analysierten Ergebnisse kritisch betrachten; eine größer angelegte Untersuchung kann weitere verlässlichere Ergebnisse liefern. Es existieren außerdem Hinweise auf soziales Kapital (Freundschaftskreis) und symbolisches sowie ökonomisches Kapital (akademischer Abschluss), jedoch auch hier wieder nur in Form von Selbstdarstellung.
Beziehungsstatus, Religion und Attraktivität werden insgesamt fünfmal erwähnt, aber in jedem dieser Fälle handelt es sich entweder um Selbstdarstellung oder Präferenz; in keinem der Fälle lässt sich der Wunsch nach Homogamie feststellen. Dies ist auch der Fall bei der Kategorie „Persönlichkeit“. Die Erwähnungen sind zwar häufiger, jedoch ebenfalls einseitig und können deswegen unsere These nicht bestätigen.
Ein deutlicher Hinweis auf Homophilie lässt sich darin finden, dass in drei Kontaktanzeigen Gleichaltrigkeit erwünscht ist. Jedoch bezieht sich Alter auf eine Eigenschaft, die weder sozial erworben noch direkt beeinflussbar ist, weshalb diese je nach Forschungsinteresse mehr oder weniger im Vordergrund steht. Gleiches Alter kann jedoch ein Hinweis sein auf eine ähnliche Lebenssituation und ähnliche Interessen, aber auch bei dieser Annahme sollte vorsichtig vorgegangen werden.
Zusammenfassend kann die Inhaltsanalyse dieser zehn Kontaktanzeigen die Homophilie-These nicht ausreichend bestätigen. Es existieren zwar vereinzelte Hinweise auf eine gewünschte Statusgleichheit, es lässt sich aber kein durchgehendes Muster erkennen – vor allem aufgrund der wenigen Hinweise auf Wünsche und Erwartungen hinsichtlich des gesuchten Partners. Die Selbstdarstellung scheint in den meisten Fällen im Vordergrund zu stehen.